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Die Rückkehr des Sozialen in der kognitiven Neurowissenschaft


Kai Vogeley

[Journal für Philosophie & Psychiatrie, Januar 2012, Original paper]

Zusammenfassung

Die mikrosoziologische Erforschung dyadischer und triadischer Interaktionen ist ein wichtiges Arbeitsfeld in der kognitiven Neurowissenschaft geworden: Das "Soziale" wird also selbst zum Forschungegenstand der Neurowissenschaften. Psychologisch werden in der Regel zwei verschiedene Prozessformate unterschieden, die man als intuitiv-präreflexiv und inferentiell-reflexiv fassen kann, beide wirken während unserer Alltagsanforderungen bei komplexen Eindrucksbildungsprozessen meist zusammen. Besonders großen Anteil an sozialen Begegnungen mit anderen haben intuitive Prozesse, die nonverbal vermittelt werden. Neurowissenschaftlich lässt sich ein Netzwerk von Hirnregionen, die während der sozialen Informationsverarbeitung rekrutiert werden, sicher identifizieren, hier spielt neben anderen Hirnregionen der mediale präfrontale Cortex eine besondere Rolle. Besonders interessant ist, dass dieses Netzwerk eine hohe Überlappung zum "Hirnruhezustand" ("default mode of brain function") aufweist, was die Spekulation zulässt, dass es möglicherweise diese auf Interaktionen mit anderen gerichteten Prozesse sind, die eine Art sozial kognitive Universalie darstellen. Von diesem empirischen Unternehmen ist klar abzugrenzen die wissenschaftstheoretische und wissenschaftssoziologische Bestimmung der Randbedingungen, unter denen Neurowissenschaften betrieben werden können oder sollen.


Stichworte: Soziale Neurowissenschaft – Theory of Mind – nonverbale Kommunikation - medialer präfrontaler Cortex – Hirnruhezustand

Summary

The microsociological exploration of dyadic and triadic interactions has become an important issue in cognitive neuroscience: The "social" is now a legitimate research topic in the neurosciences. Psychologically two levels of processes are to be distinguished which can be referred to as intuitive prereflexive and inferential reflexive, both interact with each other during complex impression formation processes in everyday affordances. A considerable component of social encounters with others is provided by intuitive processes that are conveyed nonverbally. From a neuroscientific viewpoint one can identify a network of brain regions that is recruited during social information processing, an important role besides other brain regions plays the medial prefrontal cortex. Notably, this network shows a high degree of overlap with the so-called "default mode of brain function" supporting the speculation that these interaction-related processes are a social cognitive universal. This empirical endeavour needs to be clearly separated from a consideration of different constraints of neuroscience, as seen from a philosophy or sociology of neuroscience point of view.


Key Words: Social Neuroscience – Theory of Mind – Nonverbal Communication – Medial Prefrontal Cortex – Default Mode of Brain Function

Einleitung

Die Rückkehr des "Sozialen" in der kognitiven Neurowissenschaft wird deutlich an der Entwicklung der sozial kognitiven Neurowissenschaft als Subdisziplin der Neurowissenschaften (Ochsner & Lieberman 2001; Ochsner 2004), die soziale Interaktion und Kommunikation zum Gegenstand der empirischen Untersuchung machen. Dabei handelt es sich um eine folgerichtige und nachvollziehbare Entwicklung, wenn man sich vor Augen führt, dass die kognitive Neurowissenschaft in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend Forschungsgegenstände erarbeitet hat, die sich mit kognitiven Leistungsmerkmalen beschäftigen, auf die wir in unserem Alltag zurückgreifen. Das "Soziale" ist hier gewissermaßen ein vorläufiger Endpunkt dieser Karriere der kognitiven Neurowissenschaft als Leitdisziplin: Die Fähigkeit, mit anderen Personen in einen interaktiven Austausch zu treten, gehört zu den wesentlichen kognitiven Ausstattungsmerkmalen unserer Gattung und kann spekulativ sogar als Ausgangspunkt unserer kulturellen Entwicklung angenommen werden. Danach ist die Fähigkeit zum sozialen Austausch mit anderen, die Fähigkeit, anderen Personen verlässlich ein inneres Erleben zuzuschreiben, das wiederum handlungsleitend wird, und die Fähigkeit, von anderen in kollaborativen Kontexten zu lernen, eine wesentliche Voraussetzung für die vergleichsweise explosive Entwicklung der menschlichen Spezies. So ließ sich von Generation zu Generation neu erworbenes Wissen effektiv und ohne Verluste weitergeben im Sinne eines "Wagenhebereffekts" (Tomasello 2006), diese Möglichkeit zur Konstituierung von Gemeinschaften von Gattungsgenossen hat dann vermutlich Anlass gegeben zu den Kulturleistungen unserer Spezies einschließlich der Fähigkeit zur Sprache. Nimmt man diese Perspektive ein, dann ist das "Soziale" tatsächlich der kognitive Kern unserer Gattung, und wer sich der Frage der Natur des sozialen Verstehens widmet, macht sich gewissermaßen auf den Weg zum Verständnis der natürlichen Grundlagen der Menschwerdung. Vor diesem Hintergrund ist nicht weiter verwunderlich, dass diese Leistungen in einer besonderen Weise das neurowissenschaftliche Interesse geweckt haben.

Dieses kognitive Leistungsbündel der sozialen Kognition, die sich auf das Verstehen anderer Personen bezieht, lässt sich sinnvollerweise von kognitiven Leistungen abgrenzen, die nicht auf das Verstehen von Personen, sondern von physikalischen Gegenständen oder Sachverhalten gerichtet ist. Während das Verständnis von physikalischen Sachverhalten auf der erfolgreichen Anwendung von Naturgesetzen beruht, ist dies beim Verständnis anderer Personen nicht der Fall, hier werden stattdessen (volks-)psychologische Regelwerke anzuwenden sein. Eine Besonderheit ist hier, dass die Wahrnehmung und Einschätzung anderer Personen, ihres inneren Erlebens und ihrer Handlungsintentionen sehr oft auf unscharfen, nur intuitiv zugänglichen oder präreflexiven Wissensformen beruhen, die uns nicht in einem solchen Grad von Belastbarkeit vorliegen wie semantisch gesichertes Wissen. Fritz Heider, einflussreicher Sozialpsychologe, macht hier die Unterscheidung zwischen "Dingwahrnehmung" oder "nicht-sozialer Wahrnehmung" einerseits und "Personenwahrnehmung" oder "sozialer Wahrnehmung" andererseits. Im Gegensatz zur Dingwahrnehmung oder zum weltbezogenen Wissen bleiben Personenwahrnehmung oder die Verarbeitung sozial relevanter Informationen häufig "nicht formuliert oder nur vage", sie führen aber dennoch oft zu sinnvollen Handlungen und Interaktionen mit anderen (Heider 1977, 11). Diese Erfassung von unscharfen oder vagen Datenmengen hat einen intuitiven Charakter und geht schnell vor sich, wie es am Beispiel des Blickverhaltens deutlich wird: "Die Komplexität von Gefühlen und Handlungen, die mit einem Blick verstanden werden können, ist überraschend groß, obwohl die volle Bedeutung der Relationen zwischen Mensch und Mensch nicht direkt evident ist." (Heider 1977, 11) Hier wird also die Alltagsintuition gestärkt, dass wir vergleichsweise schnell recht robuste Eindrücke von anderen Menschen in unserer Umgebung bekommen können, wobei diese aber interessanterweise lediglich auf unterbestimmten Datensätzen beruhen. Die Gehalte unserer kognitiven Akte können sich also entweder ganz oder überwiegend auf Personen oder aber ganz oder überwiegend auf physikalische Gegenstände im Sinne eines Weltbezugs in sehr weitem Wortsinn richten: "Consciousness has a tendency to resolve itself by a grouping around two poles, namely the 'I' (ego, self), and the 'external world'." (Kuhlenbeck 1982, I, 227)1

Verarbeitungsstufen

Damit ist die Alltagskapazität der "sozialen Wahrnehmung" bzw. der Personenwahrnehmung oder Eindrucksbildung eingeführt, sie erlaubt es dem Einzelnen, sich in andere "hineinzuversetzen" und sich vorzustellen, wie es anderen Menschen geht, was sie denken oder fühlen. Dieser Selbst-Fremd-Austausch findet also immer dann statt, wenn wir mit anderen Personen in Interaktion treten, diese Interaktionen können sprachlich vermittelt sein, aber auch nonverbal über Gestik und Mimik. Die interessante empirische Frage ist dabei, wie uns das eigentlich gelingen kann und welche Prozesse dieser Fähigkeit unterliegen. Denn natürlich haben wir für dieses Urteil über die psychische Verfassung einer anderen Person, insbesondere dann, wenn wir schnell entscheiden sollen, nur eine unterbestimmte Datenmenge zur Verfügung. Diese Inferenzen können sprachlich zum Ausdruck gebracht werden, aber auch über nonverbale Signale wie Gestik, Mimik, Körperhaltungen und -bewegungen vermittelt werden. Dabei handelt es sich vermutlich in weitaus größerem Maße um nonverbale, schnell ablaufende, präreflexive, intuitive Leistungen und weniger um sprachlich vermittelte Leistungen (Burgoon 1994). So bekommen wir in aller Regel sehr schnell einen Eindruck davon, in welcher psychischen Verfassung sich eine andere Person befindet, dies auch dann, wenn wir sie etwa nur anschauen. Interessante Forschungfragen ergeben sich hier unmittelbar aus dem Umstand, dass die Datenlage, die uns zu diesem Eindruck einer anderen Person bringt, unterbestimmt ist, insbesondere dann, wenn wir schnell entscheiden sollen. Diese Vorgänge werden in der Sozialpsychologie unter den Stichworten der Personenwahrnehmung und Eindrucksbildung thematisiert.

Die sozialpsychologische Theoriebildung kennt zahlreiche Modelle der Informationsverarbeitung, die auf zwei verschiedene Prozessformate zurückgreifen, die man übergreifend mit den Begriffen implizit versus explizit oder intuitiv-präreflexiv versus inferentiell-reflexiv bezeichnen kann (Frith & Frith 2008; Vogeley & Roepstorff 2009). Hier wird allgemein davon ausgegangen, dass explizite, inferentiell-reflexive Informationen auf sprachliche Äußerungen zurückgehen, die digital definierbar sind, über einen expliziten, semantischen Code verfügen und eine komplexe logische Syntax aufweisen. Sehr gut untersucht sind hier Leistungen der inferentiellen Fremdzuschreibung, die mit der sogenannten "Theory of Mind" oder "ToM" in Zusammenhang stehen. Die ToM-Leistung erlaubt, anderen Personen mentale Zustände zuzuschreiben, um das Verhalten dieser Personen erklären oder vorhersagen zu können. Sie wird auch als "Mindreading" oder "Mentalising" bezeichnet (Premack und Woodruff 1978; Baron-Cohen 1995). Zur Prüfung der ToM-Leistung wird bespielsweise eine kurze Geschichte (narratives Textmaterial, Bildsequenz) präsentiert, in der ein Agent in einem sozial relevanten Kontext erscheint und dessen Erleben oder Handeln beurteilt werden muss.

Diese sprachlich vermittelten Informationen referieren vermutlich auf andere psychologische Prozesse als nonverbale Signale, die analog verarbeitet werden und eher "unsicher" sind, weil sie nicht über einen expliziten semantischen Code verfügen und eine starke Wirkung auf unser affektives Erleben im Kontext der Kommunikation mit anderen haben können (Watzlawick et al. 1967). Daneben wird aber in unserem Alltag sehr oft auch nonverbale Kommunikation relevant. So spielt beispielsweise in unserem Alltag, oft noch, bevor wir explizites, semantisch gehaltvolles Wissen über eine andere Person akquiriert haben, der sogenannte "erste Eindruck" eine wichtige Rolle, der uns sehr schnell in die Lage versetzt zu entscheiden, ob das Gegenüber ein potentiell verlässlicher Kooperationspartner sein wird oder vermutlich eher nicht (Uleman et al. 2008). Aktuelle Untersuchungen können zeigen, dass gerade auch sehr kurze Exzerpte von nonverbalem Verhalten (z.B. Filmausschnitte) sehr gut geeignet sind, schnell unterschiedliche Beurteilungen anderer Personen zu evozieren (Ambady et al. 2000; Kuzmanovic et al. 2011). Unsere Welt- und Lebensorientierung wird also nicht allein über das Operieren mit gesichertem Wissen bereitgestellt, sondern wird vor allem auch durch unsichere Wissensformen geleistet, die man auch als vage Vorstellungen, Ahnungen oder Mutmaßungen von Zukünftigem verstehen kann (Hogrebe 1996, 21). Die verschiedenen Formate der nonverbalen Kommunikation sind auch bereits in vielfältigen empirischen Zugängen untersucht worden. Dazu gehören etwa das Erkennen von Animiertheit in bewegtem Stimulusmaterial (Heider & Simmel 1944; Santos et al. 2010), die Verarbeitung von Perspektivwechsel im Raum (Vogeley et al. 2004), die Beteiligung bei bedeutungsvoller Imitation (Meltzoff und Decety 2003), die nonverbale Kommunikation (Kuzmanovic et al. 2011) oder das Erleben von Interaktion mit anderen (Schilbach et al. 2006, 2010).

Empirische Adressierung sozialer Kognition

Unter einer naturalistischen Grundannahme werden auch die neuronalen Mechanismen dieser Leistungen untersuchbar (Newen & Vogeley 2008). Entscheidend ist dabei konzeptuell die Kopplung von innerem Erleben an die neuronalen Grundlagen kognitiver Prozesse (Fuster 2003). Eine sehr wertvolle Möglichkeit zum Studium sozial kognitiver Prozesse bietet die Arbeit mit medienvermittelten, virtuellen, anthropomorphen Charakteren (Vogeley & Bente 2010), die das Erleben von "sozialer Präsenz" simulieren kann. Der Vorteil ihrer Nutzung liegt darin, dass eine volle, systematische, experimentelle Kontrolle aller denkbaren psychophysischen Parameter ermöglicht wird, beispielsweise hinsichtlich der mimischen Expression oder der genauen zeitlichen Parameter im Fall dynamischer Animationen.

Mit sozialer Präsenz im engeren Sinn ist gemeint, dass medienvermittelte, virtuelle, anthropomorphe Charaktere nicht nur soziale Informationen transportieren können, sondern auch als soziale Akteure wahrgenommen werden und Einfluss auf den menschlichen Betrachter ausüben (Pertaub et al. 2001; Bailenson et al. 2003). Studien in diesem Feld belegen, dass diese "künstlichen Menschen" ähnliche Erlebnisse und Reaktionen hervorrufen wie Stimuli, die reale Personen abbilden (Bente et al. 2001; Bailenson et al. 2003; Biocca et al. 2003; Bente et al. 2008; Vogeley & Bente 2010). Im Feld der kognitiven Neurowissenschaften gibt es einen mittlerweile erheblichen Rückgriff auf sozialpsychologische Fragen und den methodischen Einsatz von Instrumenten der virtuellen Realität (Pelphrey et al. 2004; Sanchez-Vives & Slater 2005; Schilbach et al. 2006, 2010; Kuzmanovic 2009).2 

Unter Anwendung derartiger virtueller Charaktere gingen wir in eigenen Untersuchungen beispielsweise der Frage nach, welchen Einfluss das persönliche Involviertsein auf das Verstehen einer sozialen Interaktion und ihre neuralen Korrelate hat (Schilbach et al. 2006, 2010). Zu diesem Zweck haben wir über das Blickverhalten in zwei Untersuchungsansätzen das Erleben von Involviertheit in eine Interaktion mit einer anderen Person simuliert. Unter Vermittlung virtueller Charaktere wurden in einem ersten Experiment zwei Faktoren systematisch variiert, als erster Faktor die Mimik: Die virtuellen Charaktere zeigten in der einen Hälfte der Fälle Gesichtsausdrücke, die als Zeichen von Kontaktaufnahme gewertet wurden, während in der anderen Hälfte der Fälle willkürlich anmutende Gesichtsbewegungen, die keine soziale Signalwirkung hatten, präsentiert wurden. Als zweiter Faktor wurde im Experiment die Blickrichtung der virtuellen Charaktere variiert, die entweder den Betrachter anschauten oder aber eine unsichtbare dritte Person, die etwa an der linken oder rechten Seite des Betrachters vorzustellen war. Die Ergebnisse zeigten, dass bereits allein die Hinwendung des Gesichts der virtuellen Figur zum Beobachter eine differentielle Aktivierung des dorsomedialen präfrontalen Cortex (DMPFC) unabhängig von der gezeigten Mimik erzeugte. Die Wahrnehmung von sozial relevantem Stimulusmaterial ging mit differentieller neuraler Aktivität im ventromedialen Präfrontalcortex (VMPFC) einher. Das Erleben von sozialer Interaktion anhand eines dem Beobachter zugewandten Gesichtes, das einen interaktionell bedeutsamen Gesichtsausdruck zeigte, korrelierte mit erhöhter neuraler Aktivität in den Regionen des VMPFC, des rechten Gyrus temporalis superior und des linken Gyrus parahippocampalis (Schilbach et al. 2006). Differentielle Aktivität des VMPFC wird insbesondere dann sichtbar, wenn es zur Antizipation von positiven und negativen Konsequenzen von Handlungen kommt (Knutson et al. 2003, 2005) oder wenn Bewertungen von sozialen Interaktionen erforderlich werden (Amodio & Frith 2006). Das beschriebene experimentelle Paradigma wurde auch genutzt, um mittels Elektromyographie (EMG) die Reaktionen der mimischen Muskulatur der Probanden beim Betrachten der Filmsequenzen zu untersuchen im Hinblick auf "Gesichtsmimikry" ("facial mimicry"). Damit wird ein "Spiegelungs"-Phänomen des Erlebens und des Ausdrucks auf Seiten des Betrachters bezeichnet, das sich bei der Betrachtung eines entsprechenden Gesichtsausdrucks einstellt (Lang et al. 1993; Lundqvist 1995; Dimberg et al. 2000). Die Wahrnehmung von sozial relevanten Gesichtsausdrücken führte zu signifikant stärkerer differentieller EMG-Aktivität als die Wahrnehmung von willkürlichen Gesichtsbewegungen (Mojzisch et al. 2006). Diese Ergebnisse stehen also in guter Übereinstimmung mit der vorhandenen Literatur, die dem medialen Präfrontalkortex (MPFC) insgesamt eine wichtige Rolle im Rahmen der Emotionsverarbeitung und sozialer Kognition zuspricht (Vogeley et al. 2001; Frith & Frith 2003; Vogeley & Fink 2003; Amodio & Frith 2006; Vogeley 2008).

Einen vielversprechenden Zugang eröffnet auch eine weitere Studie in diesem Arbeitsfeld, bei der wir das Blickverhalten ausgenutzt haben, um damit in Echtzeit das Stimulusmaterial, nämlich das Blickverhalten eines virtuellen Charakters, zu verändern. Dadurch wurde über die interaktive Blickkoordination zwischen Versuchsperson und virtuellem Agenten gezielt das Erleben von "gemeinsamer Aufmerksamkeit" erzeugt. Die sogenannte "gemeinsame Aufmerksamkeit" ("joint attention") bezieht sich auf die Möglichkeit der Manipulation einer anderen Person durch unser Blickverhalten. Diese gemeinsame Aufmerksamkeit stellt sich immer dann ein, wenn nach einigem Hin- und Herblicken zwischen einer anderen Person, die mich bei meinen Manövern beobachtet, und einem Objekt diese angeschaute Person schließlich auch auf das Objekt schaut, in der Vermutung, ich habe diese Person auf das Objekt aufmerksam machen wollen. Hier werden gewissermaßen das nonverbale Verhalten von Interaktionspartnern als auch ihre intentionalen Beziehungen zur Welt koordiniert (Moll & Tomasello 2007; Searle 2006). Ontogenetisch wird diese vorsprachliche Leistung bereits vor Ablauf des ersten Lebensjahres erworben, wobei zwischen der eigenen Initiation und dem Antwortverhalten auf derartige Bemühungen unterschieden wird (Mundy & Newell 2007). Systematisch variiert wurde mit diesem Hintergrund in unserem Experiment, ob das Blickverhalten zwischen Versuchsperson und virtuellem Agenten kongruent war oder nicht (ob also ein Erleben von gemeinsamer Aufmerksamkeit erzeugt wurde, unabhängig davon, wer es eingeleitet hat), und ob die Versuchsperson die Einleitung der gemeinsamen Aufmerksamkeit führte oder der virtuelle Agent. Die Ergebnisse zeigten, dass das Erleben von gemeinsamer Aufmerksamkeit zu einem differentiellen Anstieg neuronaler Aktivität insbesondere im Bereich des MPFC führte (Schilbach et al. 2006; Amodio & Frith 2006). Zusätzlich ließ sich interessanterweise demonstrieren, dass es bei selbst-initiierter gemeinsamer Aufmerksamkeit zu einem differentiellen Anstieg im Bereich des ventralen Striatums als Teil des Belohnungssystems des Gehirns kam (Rolls et al. 2008), was als Hinweis auf die intrinsische Motivation zur Initiierung sozialer Interaktion interpretiert werden kann (Schilbach et al. 2010).

Eine besondere Domäne der sozialen Kognition stellt das bereits erwähnte Blickverhalten dar (Kampe et al. 2003). Der "soziale Blick" kann auch als Unterkategorie von visuellem Verhalten aufgefasst werden, das sich auf sozial relevante Interaktion und Kommunikation bezieht (Emery 2000; Pelphrey et al. 2004). Sozialer Blick dient zum einen als Indikator von nicht unmittelbar einsehbaren kognitiven Prozessen, die nur aus dem Blickverhalten einer anderen Person erschlossen werden können. Sozialer Blick dient aber auch als Signalsystem, mit dessen Hilfe Informationen zu kommunikativen Zwecken gezielt "gesendet" werden können. Unter diesen Gesichtspunkten ist das Phänomen des sozialen Blicks in der Sozialpsychologie bereits ausführlich studiert worden (Kendon 1967; Argyle und Cook 1976). In einer eigenen Studie haben wir, erneut unter Anwendung virtueller Charaktere, als Beispiel für eine empirische Adressierung intuitiver präreflexiver Komponenten in der sozialen Kognition systematisch die Dauer von sozialem Blick untersucht. Über die Variation der Dauer von Blickkontakten von einer bis zu vier Sekunden ließ sich verlässlich ein Eindruck von zunehmender Sympathie beim Betrachter für den virtuellen Charakter erzeugen. Als neurales Korrelat der zunehmenden Blickdauer zeigte sich eine Aktivierung in dem bereits oben erwähnten Areal des ventromedialen präfrontalen Cortex (VMPFC) (Kuzmanovic et al. 2009). Dieser Befund lässt die Deutung zu, dass diese Hirnregion bei der Blickevaluation maßgeblich beteiligt ist, also bei dem Prozess, der das beobachtete Blickverhalten als sozial relevant oder irrelevant einstuft.

Neurale Mechanismen sozialer Kognition

Die Ergebnisse sind in guter Übereinstimmung mit der vorhandenen Literatur, die dem anterioren medialen präfrontalen Kortex eine wichtige Rolle im Rahmen der Emotionsverarbeitung und sozialen Kognition zuspricht und ihn als Ort der Aktivierung selbst-referentieller und sozial kognitiver Prozesse ansieht (Frith & Frith, 2003; Amodio & Frith 2006). Differentielle Aktivität des DMPFC findet sich auch bei Zuschreibung mentaler Zustände an andere (Vogeley et al. 2001; Gallagher & Frith 2003) und bei der Verarbeitung von "ostensive signals" (Sperber & Wilson 1986), die etwa zur Initiierung von sozialer Interaktion benötigt werden (Kampe et al. 2003). Differentielle Aktivität des VMPFC wurde in Studien zur gemeinsamen Aufmerksamkeit beobachtet, also als Korrelat der Gleichrichtung von Aufmerksamkeit mit der des Gegenübers (Williams et al. 2005; Schilbach et al. 2010; Wilms et al. 2010). Interessanterweise haben Bildgebungsstudien nachweisen können, dass der VMPFC gerade auch bei der Antizipation von positiven und negativen Konsequenzen von Handlungen differentiell aktiviert ist und auf diese Weise Verhaltensmodifikationen bahnen kann (Knutson et al. 2003, 2005; Paulus u. Frank 2003). Diese Region ist damit eine wichtige Schlüsselregion eines neuralen Netzwerkes, das für interpersonelles Bewusstsein maßgeblich zu sein scheint (Decety & Sommerville 2003; Amodio & Frith 2006).3 

Interessant ist hier nun, der Frage nachzugehen, welche Gemeinsamkeiten diese Studienansätze aufweisen, so dass sie alle zu einer Rekrutierung des MPFC führen, und was die eigentliche Aufgabe dieser Hirnregion sein könnte. Wissenschaftstheoretisch könnte man hier auch vom Gehalt der Repräsentation sprechen oder von ihrer funktionalen Rolle. Dazu ist allerdings nötig, den Begriff der Repräsentation nicht nur als eine zweistellige Relation zu verstehen, die lediglich einen zu repräsentierenden Gegenstand oder Sachverhalt mit einem repräsentierenden Prozess oder Mechanismus verknüpft. Vielmehr muss hier auch das (kognitive) System selbst, das über die Repräsentationen verfügen kann, als dritte Konstituente im Sinne eines dreistelligen Repräsentationsbegriffs hinzugenommen werden (Vogeley & Bartels 2011). Unter diesen Umständen ist es dann möglich, vom Gehalt zu sprechen, den eine Repräsentation für ein kognitives System haben kann. Da dieser Gehalt ebenso handlungsleitend für das kognitive System sein kann, kann man auch von der funktionalen Rolle einer Repräsentation sprechen, die für das kognitive System entsteht, das über die Repräsentation verfügt. So können funktionale Rollen, die Repräsentationen für Systeme haben, in denen sie entstehen oder die über sie verfügen, auch einen heuristischen Wert darstellen, der hypothesengenerierende Funktion bekommen kann. Zum MPFC ist kürzlich eine solche Spekulation vorgetragen worden, die man als eine funktionale Rolle verstehen könnte. Der Basismechanismus des MPFC könnte danach die Generierung von unscharfen, vagen Schätzwerten ("fuzzy estimates") sein (Mitchell 2009). Hier ist besonders interessant und stimulierend, dass eine ähnliche Intuition des Unscharfen und Vagen, das der Personenwahrnehmung oder der sozialen Wahrnehmung anhaftet, bereits von Fritz Heider (1977) vorformuliert worden war und der Hypothese von Mitchell entspricht. Es wäre damit gewissermaßen eine wichtige sozial kognitive Operation auf einer neuralen Beschreibungsebene identifiziert, wenn nicht sogar die Schlüsseloperation sozialer Kognition.

Das "Soziale" als Gattungsuniversalie

Die gemachten Ausführungen laden abschließend dazu ein, einige Gedanken zur Allgemeingültigkeit oder zur Universalität des "Sozialen" vor dem Hintergrund moderner neurowissenschaftlicher Ergebnisse anzustellen. Die Fähigkeit zur sozialen Kognition stellt Tomasello ganz stark in den Vordergrund unserer kognitiven Ausstattung und vermutet in ihr die zentrale kognitive Leistung des Menschen, die eine gattungsspezifische Universalie ist und die den Menschen erst zu dem macht, was er ist. Es ist in erster Linie unsere Befähigung zur sozialen Kognition, die uns erlaubt, in den Austausch mit einer anderen Person zu treten. Und genau dies bietet uns einen entscheidenden evolutionären Vorteil. Damit, "dass Menschen sich über verschiedene Dinge … von verschiedenen Standpunkten aus miteinander verständigen", ist eine menschliche Grundfähigkeit benannt, vielleicht sogar die zentrale gattungsspezifische kognitive Universalie des homo sapiens (Tomasello 2006). Wenn man versucht, die Ebene psychologischer Prozesse oder neuraler Mechanismen aufzusuchen, macht wieder Heider die bereits erwähnte plausible Unterscheidung zwischen sozialen und nicht-sozialen kognitiven Prozessen, denen Intentionalität und Kausalität als unterliegende Konstruktionen zugeordnet werden könnten (Heider 1977). Eine interessante, wenngleich auch spekulative Entsprechung könnte die soziale Informationsverarbeitung dann in der Generierung von probabilistischen, unscharfen Schätzwerten haben (Mitchell 2009), die sich dem MPFC zuordnen lassen, also einer Hirnregion, die maßgeblich immer wieder dann rekrutiert wird, wenn sozial kognitive Prozesse erforderlich werden (Amodio & Frith 2006). Diese interessante Verknüpfung ist zwar spekulativer Natur, könnte aber immerhin einen heuristischen Wert entfalten, der auch hypothesenleitend wirken könnte.

Eine bemerkenswerte Anreicherung und Deutungsmöglichkeit der Aktivitätsverteilung des "sozialen Gehirns", wie sie typischerweise bei den exemplarisch beschriebenen intersubjektiven Prozessen erscheint4, bietet der Befund des sogenannten Hirnruhezustandes ("default mode of brain function") an (Raichle et al. 2001; Schilbach et al. 2008; Vogeley 2010). Mit dem Hintergrundinteresse an der intrinsischen Konnektivität des Gehirns wurden neurale Korrelate von Ruhebedingungen untersucht, in denen die Versuchspersonen keiner expliziten Instruktion im Rahmen eines kontrollierten Experimentes unterlagen.5 Das bemerkenswerte und mittlerweile sehr oft replizierte Ergebnis ist, dass – über Personen hinweg und in der zeitlichen Mittelung von einer natürlich ausgeprägten Dynamik der Aktivitätsverteilung – immer wieder ein ähnliches Aktivitätsverteilungsmuster aufgesucht wird im Sinne eines "Attraktorzustandes", nämlich der sogenannte "Voreinstellungszustand" oder "Ruhezustand" des Gehirns ("default mode of brain function"). Dieser Hirnruhezustand umfasst üblicherweise den anterioren medialen frontalen Cortex, den medialen parietalen Cortex und den superior temporal gelegenen Cortex bzw. temporoparietalen Übergangscortex beidseits (Gusnard et al. 2001; Raichle et al. 2001). Interessanterweise entspricht dieses Verteilungsmuster der Aktivitätsverteilung im Gehirn, wie sie auch bei sozial kognitiven Leistungen beansprucht wird (Buckner 2008; Schilbach et al. 2008). Ein Hinweis dafür, dass es sich hier um eine Universalie handelt, die möglicherweise sogar über unsere eigene Spezies hinausreichen und alle Säugetiere miteinander verbinden könnte im Sinne eines übergreifenden neuralen Funktionsprinzips, ist der Befund, dass sich dieser Hirnruhezustand auch bei nicht-menschlichen Primaten nachweisen lässt (Vincent et al. 2007).

Hieraus könnte spekulativ abgeleitet werden, dass neural geradezu eine Disposition zur sozialen Kognition angelegt ist, die durch die ähnliche Aktivitätsverteilung im Gehirn unter experimentell kontrollierten, also quasi "fremdveranlassten", kognitiven Aufgaben und unter unkontrollierter, "selbstveranlasster" kognitiver Tätigkeit in Abwesenheit einer konkreten experimentellen Instruktion belegt ist. So stimulierend dieser Befund auch sein mag, so ist doch kritisch anzumerken, dass die Zuordnung von "selbstnahen" Erfahrungen und Zuständen während der beobachteten Hirnruhezustände bisher spekulativ ist, da aus diesen Phasen bisher keine systematischen Informationen zur Erfahrungs- oder Erlebnisebene der Probanden während dieser Untersuchungen erhoben wurden. Diese Befundkonstellation der Überlappung des "sozialen Gehirns" mit dem "Hirnruhezustand" liefert aber Hinweise für die Möglichkeit eines neuralen Nachweises unserer Disposition zum Personalbezug, aus der wir uns nur durch aufwendige Manöver wie etwa im Rahmen eines experimentalpsychologischen Designs kognitiv herausbewegen können. Dagegen rücken wir auch in passageren Ruhesituationen immer wieder in diesen Ruhezustand ein, der möglicherweise nichts anderes als einen solchen Personalbezug bzw. eine derartige Deutungsbereitschaft auf der Grundlage subjektiver Kriterienbildung reflektiert.

Von außen bestimmbare und experimentell einholbare Kognition ist auf diesem Hintergrund nur eine Irritation oder Auslenkung aus dieser bereits voreingestellten Verfassung oder Disposition zum Personalbezug, der neural der Hirnruhezustand entsprechen könnte. Diese intersubjektive Kompetenz lässt sich schon sehr früh in der Karriere der verschiedenen Sicherungsstufen unseres Wissens – von der Ahnung zur Deutung zum Wissen – festmachen. Auch unscharfe, "mantische" Wissensformen weisen im Kern immer schon einen sozialen Bezug zu möglichen Begegnungen mit anderen Personen im Sinne einer Voreinstellung auf, und es kann vermutet werden, "dass wir ohne ein entgegenkommendes Verstehen das dunkle Du nicht aufgebaut hätten" und "dass ohne einen Minimalanimismus unser Gegenstandsbezug, d.h. unsere Referenzialität oder Intentionalität, kollabieren würde" (Hogrebe 2006, 33). Dieser personale Bezug auf das Gegenüber wäre also dann der nicht-sozialen Kognition vorgängig. Dieser minimalanimistische Personalbezug auf den anderen könnte der Fähigkeit des Perspektivwechsels entsprechen, der Fähigkeit nämlich, die Welt aus der Perspektive eines anderen sehen zu können. Neurowissenschaftliche Daten lassen die Spekulation zu, dass es sich hierbei tatsächlich um eine neurobiologisch verankerte universale Verfassung handelt, die uns als Gattung auszeichnet und die für uns eine Art Voreinstellung unserer kognitiven Verfassung bedeutet, aus der wir uns nur unter bestimmten Anforderungen von außen aktiv entfernen.

Anmerkungen

  1 Diese Differenzierung wird auch noch einmal an der Gegenüberstellung der Begriffe Kausalität und Intentionalität deutlich. Wir operieren begrifflich erfolgreich mit dem Konzept der Kausalität im Bereich der physikalischen Welt, wenn wir etwa physikalische Objekte wahrnehmen, die aufeinander treffen und sich gegenseitig in ihrer Bewegung beeinflussen. Personen werden dagegen wesentlich nicht durch äußere (physikalische) Ereignisse, sondern durch interne (mentale) Zustände bestimmt, durch Wahrnehmungen im Zusammenspiel mit Erfahrungen, Einstellungen, Überzeugungen, die sich dann in Verhaltensdispositionen äußern. Dies ist auch im Alltag unmittelbar evident: Eine Kugel wird immer eine schiefe Ebene herunterrollen, während ich nicht erwarten kann, dass eine Person, die ich anlächele, immer zurücklächelt. Was demnach Personen im Eigentlichen ausmacht, ist im Gegensatz zur Kausalität im Bereich physikalischer Objekte ihre Intentionalität. Metaphorisch gesprochen, nehmen wir "hinter" der äußeren Gestalt von Verhalten und Ausdrucksweisen einer Person immer auch einen inneren Zustandsraum an, der Gedanken, Gefühle, Urteile einer Person aufnimmt.

  2 Von der sozialen Präsenz wird das Erleben von physischer Präsenz ("physical presence ") abgegrenzt, wobei sich beide überschneiden. Diese Überlappung von physikalischer und sozialer Präsenz wird von Ijsselsteijn in der Kontinuität der Arbeiten von Goffman (1963) auch als sogenannte Ko-Präsenz ("co-presence ") gefasst, welche das Erleben des Miteinander-Seins und der unmittelbaren Interaktion mit anderen in einem physikalischen oder virtuellen Raum bezeichnet (Ijsselsteijn & Riva 2003).

  3 Wichtig ist hier, dass die Rekrutierung des MPFC weder notwendig noch hinreichend ist für die Etablierung von sozial kognitiven Leistungen. Es gibt durchaus Studien zur sozialen Kognition, die den MPFC nicht differentiell aktiviert ausweisen, und zahlreiche andere Studiendesigns, die zur MPFC-Aktivierung führen, ohne dass sie eine unmittelbar sichtbare Verbindung zu sozial kognitiven Leistungen haben. Ganz grundsätzlich kann aus der Abwesenheit einer differentiellen Aktivierung einer Hirnregion (z.B. MPFC) nicht geschlossen werden, dass diese Hirnregion überhaupt nicht an der Konstituierung der untersuchten kognitiven Leistung beteiligt ist. Damit wird lediglich gezeigt, dass diese Hirnregion in vergleichbarem Ausmass in den im experimentellen Design gegenübergestellten Versuchsbedingungen rekrutiert wird.

  4 Hier ist hinzuzufügen, dass aus Gründen der Übersichtlichkeit bisher explizit nur auf eine Hirnregion Bezug genommen wurde, nämlich den MPFC, der völlig unstrittig mit sozial kognitiven Aufgaben in enger Verbindung steht. Eine Einschränkung wurde bereits in Fußnote 3 gemacht mit dem Hinweis, dass es damit aber noch nicht möglich ist, dieser Hirnregion quasi-phrenologisch eine bestimmte Funktion zuzuweisen. Es muss weiter bemerkt werden, dass es sich natürlich nie um einzelne Regionen, sondern immer um Netzwerke handelt, die bei bestimmten Aufgaben rekrutiert werden. 

  5 Tatsächlich sind diese Zustände keine wirklichen "Ruhezustände ", und die Probanden können natürlich jeden beliebigen kognitiven Zustand einnehmen, der vom Tagträumen bis zum Durchdenken komplexer Rechenaufgaben reichen kann, insofern sind die untersuchten Ruhesituationen natürlich phänomenal maximal "verrauscht ", als jede untersuchte Person den eigenen, "ungebundenen" Gedanken, Gefühlen, Vorstellungen usw. nachgehen kann. Gemeinsam ist aber aus einer operationalen Sicht, dass alle diese Ruhezustände keiner experimentellen Kontrolle unterliegen.

Literatur

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Bailenson, J. N., Blascovich, J., Beall, A. C., Loomis, J. M. (2003) Interpersonal distance in immersive virtual environments. Personality and Social Psychology Bulletin, 29, 819–833.

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Univ.-Prof. Dr. Dr. Kai Vogeley
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Uniklinik Köln
Kerpener Str. 62
50924 Köln
kai.vogeley@uk-koeln.de

 

Kai Vogeley, Studium der Medizin und Philosophie in Düsseldorf, Baltimore und London. 1989 Magister Artium (M.A.). 1990 Approbation als Arzt. 1992 Promotion zum Doktor der Medizin. 1993 Promotion zum Doktor der Philosophie. Weiterbildungen in Neuropathologie, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. 2000 Facharztanerkennung für Neurologie. 2001 Facharztanerkennung für Psychiatrie und Psychotherapie. 2003 Habilitation für Psychiatrie und Psychotherapie. Seit 2004 Professor für Früherkennung und Prävention (C3) an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums der Universität zu Köln und Leiter der Arbeitsgruppe Bildgebung. Seit 2010 Leiter der Arbeitsgruppe Soziale Kognition am Institut für Neurowissenschaften und Medizin, Kognitive Neurologie (INM3) am Forschungszentrum Jülich. Arbeitsgebiete: Neurale Korrelate der sozialen Kognition und des Selbstbewusstseins, Neurobiologie des Autismus und der Schizophrenie, Philosophie und Wissenschaftstheorie der Neurowissenschaften und der Psychiatrie.

 




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